Im Multiprojektmanagement werden mehrere Portfolios, Programme und Projekte geplant, gesteuert und durchgeführt. Bereits unter normalen Bedingungen ist Multiprojektmanagement herausfordernd und gelangt immer wieder an seine Grenzen. Bei mehreren Projekten gleichzeitig sind Herausforderungen wie geteilte Ressourcen, Abhängigkeiten der Projekte untereinander oder fehlende Informationen zu meistern. Die Herausforderung, Projekte in einer VUCA Umgebung zum Erfolg zu führen, ist ungleich größer. Mit VUCA kommen zusätzlich zu den bekannten Problemen die Themen Volatilität, Unsicherheit, steigende Komplexität und ständige Veränderungen dazu. So verschieben sich beispielsweise Abhängigkeiten zwischen Projekten, die Ziele sind volatil oder die Themenbereiche werden komplexer. Aufgrund der immer mehr verknüpften Projektsituationen und der sich ständig ändernden Projektumwelt, ist es auch im Multiprojektmanagement (MPM) erforderlich, mit den VUCA Bedingungen umzugehen, um ein erfolgreiches MPM zu implementieren.
Die Basis bildet ein funktionierendes Multiprojektmanagement
Um Projekte in einer VUCA Welt erfolgreich steuern zu können, sollte in einem ersten Schritt die richtige Basis in Form eines funktionierenden MPM aufgebaut werden. Das bedeutet, dass die einzelnen Projekte koordiniert, miteinander in Verbindung gebracht und ein Gesamtblick erzeugt wird. Dabei unterscheiden sich die grundlegenden Methoden nicht vom Projektmanagement eines einzelnen Projektes. Vielmehr werden diese durch die folgenden, zentralen Elemente des MPM ergänzt:
- Top Down Strategie & Bottom Up Planungsprozess
- Abhängigkeiten analysieren & Projekte priorisieren
- Synergien managen & Entscheidungen treffen
- Herausforderungen in Kommunikation und Arbeitswelt meistern
Der Einsatz der Methoden wird am Beispiel der [bu:st] Methode für Projektmanagement (Details zur [bu:st] Methode) anhand der folgenden Grafik aufgezeigt. Die vier zentralen Elemente im MPM sind in allen Schritten zu beachten. In den Bereichen mit farblichen Markierungen der Abbildung, ist im MPM ein besonderer Fokus auf das jeweilige Element zu setzen.
Abbildung 1: [bu:st] Methode und zentrale Elemente im Multiprojektmanagement
Top Down Strategie & Bottom Up Planungsprozess
Um Portfolios, Programme und Projekte zu managen wird eine gesamtheitliche Planung erstellt. Die Unternehmensstrategie wird zuerst auf jedes Portfolio umgelegt. Diese Strategien werden dann wiederum auf die jeweiligen Programme und Projekte detailliert. Darüber hinaus müssen Einflüsse wie übergreifende Ressourcen oder Innovationen in Technologie und Prozessen als weitere Faktoren berücksichtig werden. Durch diesen Top Down Ansatz mit allen Inputfaktoren ergibt sich eine Spezifikation pro Projekt. Jedes Projekt wird geplant und der Bottom Up Einfluss auf das gesamte Portfolio betrachtet. So wird in mehreren Schleifen eine Multiprojektplanung erstellt und daraus detaillierte Jahresplanungen sowie einzelne Projektplanungen ausgeleitet – Top Down und Bottom Up. Dadurch entstehen eine gesamtheitliche Betrachtung und Planung, in denen alle Projekte, Programme und Portfolios vollumfänglich gesteuert werden.
Die gesamtheitliche Betrachtung ist nicht nur bei der Erstellung von übergreifenden Roadmaps relevant. Es müssen darüber hinaus die Ziele und das Bild der Zukunft (Schritt 1 und 2 der [bu:st] Methode) der einzelnen Projekte, Programme und Portfolios geplant und abgestimmt werden. Durch eine übergreifende Betrachtung wird die Komplexität in den einzelnen Projekten reduziert und es wird ermöglicht Gemeinsamkeiten zu nutzen. Insbesondere im Bereich Team und AKVs (siehe 6. Schritt) ist hierbei ein Fokus zu setzen, da das Ressourcenmanagement einen zentralen Erfolgsfaktor darstellt. Ohne übergreifendes Ressourcenmanagement, was beispielsweise Arbeitskräfte und Verfügbarkeit von Maschinen umfasst, ist Scheitern bei vielen Multiprojektumgebungen vorprogrammiert. Im Projektalltag greifen viele Projekte auf die gleichen Ressourcen zu und es entsteht regelmäßig Knappheit. Durch ein gezieltes Management können die knappen und zudem oft geteilten Kapazitäten effizient eingesetzt und für die einzelnen Projekte optimiert und geplant werden.
Abhängigkeiten analysieren & Projekte priorisieren
Projekte im Unternehmen sind selten voneinander losgelöst und komplett unabhängig. Sie stehen häufig in Beziehung zu anderen Projekten beispielsweise durch:
- geteilte Arbeitskräfte und Ressourcen
- inhaltliche und technische Abhängigkeit
- finanzielle Abhängigkeit
- zeitliche Abhängigkeit
- geteilte oder konkurrierende Anforderungen
- gegenseitige Lerneffekte
Durch Steuerung im MPM werden Abhängigkeiten transparent und gemessen. Methoden hierfür sind unter anderem:
- Projektprogramm: Darstellung aller Projekte im Programm mit dem gleichen Ziel oder ähnlichem Thema
- Abhängigkeitsanalyse/Projektmatrix: Liste der Projekte und Bewertung der Abhängigkeiten mit einem Punktwert in einer Matrix
- Input-Output-Analyse: Zusammenstellung aller Ergebnisse und aller Anforderungen der Projekte sowie Aufzeigen der Beziehungen
- Roadmapping: Logische und zeitliche Reihenfolge von Projekten in unterschiedlichen Unternehmensbereichen, meist mit langfristigem Zeithorizont
- Strategy Map: Verknüpfung der Projekte mit den übergeordneten Unternehmenszielen und Strategien
Die Transparenz und Analyse der Abhängigkeiten sind vor allem bei der Zielsetzung und der Erstellung der Roadmap relevant. Durch die Visualisierung der Abhängigkeiten kann einerseits die Planung zielgerichtet erfolgen und andererseits eine Priorisierung vorgenommen werden. Die richtigen Auswahlkriterien für die Priorisierung sind entscheidend für eine effiziente Steuerung. Beispielhafte Kriterien sind Ressourcen, strategische Bedeutung, Komplexität, Erfolgsaussichten/Nutzen, Wirkung oder zeitliche Dringlichkeit. Je nach Fokus kann die Priorisierung zu anderen Ergebnissen führen. Die Herausforderung ist es, die relevanten Auswahlkriterien zu wählen und nicht nur innerhalb eines Projektes, sondern auch zwischen Projekten und Programmen im gesamten Unternehmen zu priorisieren.
Bei der Erstellung eines aktuellen Berichts (siehe Schritt 8) sind die Abhängigkeiten und Priorisierungen ebenso von Bedeutung. Hat ein Vorgängerprojekt nicht rechtzeitig geliefert, kann ein anderes Projekt sein Ziel unter Umständen nicht erfüllen. Daher ist ein übergreifender Bericht erforderlich, um anschließend abhängige Maßnahmen zu erarbeiten (Schritt 9) und Entscheidungen zu treffen.
Synergien managen & Entscheidungen treffen
Gegenseitige Abhängigkeiten können auch einen positiven Effekt haben in Form von gemeinsamen Synergien. Durch eine übergreifende Planung, Analyse der Abhängigkeiten und eine gesamtheitliche Betrachtung können Synergien genutzt werden. Dadurch können Effizienzen gehoben und Optimierung der Kapazitäten erreicht werden. Die Ergebnisse der einzelnen Projekte werden verbessert durch effiziente Teilung von Wissen, Ergebnissen und Erfahrung. Aufgabe des MPM ist diese Synergien zu managen, sprich zu erkennen und zu steuern. Ein wesentlicher Beitragsleister ist die Förderung des Informationsaustausches. Alle Information werden zentral, beispielsweise durch eine gemeinsame Datenbank, zur Verfügung gestellt. Eine regelmäßige Vorstellung der Projektstatus, beispielsweise in einem Projektsteuerkreis als Reporting Plattform, oder in regelmäßigen Workshops, werden alle Stakeholder über den aktuellen Stand informiert. Zur effizienten Nutzung von Synergien sind die folgenden Inhalte zu klären:
- Beitrag zu Unternehmenszielen: Welche Projekte verfolgen die gleichen oder ähnliche Ziele?
- Status der Projekte: Wie weit ist jedes Projekt fortgeschritten?
- Ergebnisse: Was wurde bisher erarbeitet und wie können andere davon profitieren?
- Abhängigkeiten: Welche Schnittstellen bestehen zu anderen Projekten?
Die gesamtheitliche Planung, das Wissen über Abhängigkeiten und Synergien führt dann zum Erfolg, wenn auf Basis dieser Informationen Entscheidungen getroffen werden. Entscheidungen sollten in allen Bereichen und Schritten des Projektmanagements unter Berücksichtigung einer ganzheitlichen Sicht getroffen werden. Entscheidungen auf Basis von Synergien und Abhängigkeiten zu treffen, führt einerseits zu Einsparpotentialen andererseits dazu die richtigen Prioritäten zu setzen. Zentrale Aufgabe im MPM ist es, die Entscheidungsbedarfe aufzuzeigen, die getroffenen Entscheidungen transparent zu machen und damit nachvollziehbar.
Herausforderungen in Kommunikation und Arbeitswelt meistern
Im Projektmanagement muss ständig kommuniziert werden, zum Beispiel über den aktuellen Status, Information über Aufgabe und Termine oder sonstige Themen. Eine zielgerichtete Kommunikation nimmt im MPM einen noch größeren Stellenwert ein als bei einem einzelnen Projekt. Es sind deutlich mehr Schnittstellen und Abstimmungen erforderlich, wodurch die Komplexität in der Kommunikation erhöht wird. Davon abgesehen gelten jedoch die gleichen Kommunikationsspielregeln durch Beantwortung der Fragen:
- Wer?
- Was?
- An wen?
- Wann und wie oft?
- Wie?
- Warum?
Beim Aufbau einer Kommunikationslandschaft sind die Abhängigkeiten und Synergien zu beachten. Regelmäßig muss Projektgrenzen hinweg miteinander kommuniziert werden, auch wenn diese nicht den gleichen Portfolios angehören. Werden diese Aspekte in der Erstellung eines, wie oben dargestellten Kommunikationsplans (Schritt 5 – 7) beachtet, wird eine konstruktive Kommunikation erreicht.
Neben den Standardthemen der Kommunikation spielt bei einer Multiprojektlandschaft auch die Arbeitsweise eine Rolle. Es kann vorkommen, dass in den Projekten mit unterschiedlichen Methoden gearbeitet wird. Die Mitarbeiter können an verschiedenen Standorten tätig sein oder die Mindsets der einzelnen Projekte können sich stark unterscheiden. Daher ist es Aufgabe des MPM, die Arbeitsumgebung und Arbeitsweisen zu beachten. Die Projekte können grundsätzlich unterschiedlich arbeiten, jedoch soll die Arbeitsumgebung so aufgebaut sein, dass alle flexibel, agil und digital zusammenarbeiten können.
„Flexibel“ bedeutet dabei, dass auf neue Herausforderungen reagiert werden kann und Mitarbeiter flexibel eingesetzt werden. „Agil“ richtet sich nicht auf eine agile Arbeitsweise, sondern auf ein agiles Mindset, das offen für Veränderungen ist. „Digital“ ist die Basis für eine übergreifende Kommunikation und einen gegenseitigen Austausch.
Umgang mit VUCA: Kommunikation, Überblick behalten, Priorisieren, Entscheiden & kontinuierliche Anpassungen
Ist die Basis durch ein funktionierendes MPM geschaffen, so ist ein passendes Mindset erforderlich, um eine VUCA Welt zu beherrschen. Wie bereits in dem verlinkten [bu:st] Whitepaper und Artikel beschrieben, sind Transparenz, Kommunikation und Rhythmus zentrale Bausteine zum Umgang mit VUCA. Auch das „andere VUCA“ – Vision, Understanding, Clarity, Agility – ist entscheidend für MPM. Anders ausgedrückt sind essenzielle Voraussetzungen für den Erfolg im MPM, wie die Abbildung zeigt, dass der Überblick behalten wird, Synergien analysiert und transparent sind, sowie Themen priorisiert und Entscheidungen getroffen werden. Effektive, regelmäßige und bedarfsgerechte Kommunikation ist das Bindeglied der verschiedenen Welten in einer Multiprojektlandschaft. Transparenz und Rhythmus führt zum offenen Austausch und einer Regelmäßigkeit. Alle Themen sollten kontinuierlich an die neue Situation angepasst werden, um die schnell und effizient auf ändernde Umstände und Bedingungen reagieren zu können.
Abbildung 2: Umgang Multiprojektmanagement mit VUCA
Kommunikation
Der Bereich Kommunikation steht im MPM im Fokus. Kommunikation ist, wie bereits beschrieben, eine essenzielle Voraussetzung für den Erfolg. Den passenden Rahmen dafür schafft das MPM, um sich über alle betroffenen Projekte und Programme austauschen und wesentliche Fragen beantworten zu können.
Überblick behalten
Zentraler Erfolgsfaktor für die Projektsteuerung ist das „Big Picture“. Der Überblick über die einzelnen Projekte, deren Veränderungen und Abhängigkeiten, schafft Klarheit. Dadurch kann die Unternehmensstrategie konsequent verfolgt werden und ein strategischer Weitblick sowie operative Projektarbeit sind möglich.
Priorisieren
Die Priorisierung ist ein zentrales Element des MPM. Um VUCA zu beherrschen, sollten die Prioritäten immer wieder aufs Neue analysiert werden.
Entscheiden
Ohne das Treffen von Entscheidungen kann nicht auf Veränderungen und die agile Umwelt reagiert werden. Die Konflikte müssen bearbeitet und Entscheidungen projektübergreifend auf Basis des Überblicks und der Priorisierung getroffen werden. Ein daraus entstehender Mehrwert ist es zum Beispiel Terminverzögerungen zu vermeiden, finanzielle Ströme in die richtige Richtung fließen zu lassen oder unnötige Kosten zu vermeiden. Ein bedarfsgerechter Rhythmus an Kommunikation und Transparenz helfen dabei, die Entscheidungen zu vertreten.
Kontinuierliche Anpassung
Die VUCA Bedingungen erlauben es nicht, dass Entscheidungen auf Basis eines einmalig aufgestellten und abgeschlossenen Big Pictures getroffen werden, da diese zum Zeitpunkt der Erstellung meistens wieder veraltet ist. Das bedeutet, dass die gesamte Projektplanung vielmehr kontinuierlich neu überarbeitet und den Bedingungen angepasst werden muss. Dabei sollte beachtet werden, dass Stabilität gewahrt wird, um nicht vollkommen in der Komplexität zu versinken. Ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Stabilität und kontinuierlicher Anpassung ist erforderlich.
Zusammenfassend ist für ein effizientes MPM in einer VUCA Situation keine Neuerfindung des Projektmanagements erforderlich. Die bestehenden Elemente eines funktionierenden MPM sollten um das Big Picture (mit übergreifender Planung, Abhängigkeiten, Synergien), zielgerichtete Priorisierungen und Entscheidungen ergänzt werden. Dabei sind die komplexen Herausforderungen der Kommunikation in einer Multiprojektumgebung zu beachten und kontinuierliche Anpassungen an neue Bedingungen durchzuführen.
In diesem Artikel werden weder die Rolle des Projekt Management Office (kurz: PMO) noch mögliche Methoden und Tools näher spezifiziert. Ohne ein PMO, das die oben beschriebenen Elemente steuert und koordiniert und über die notwendigen Methoden und Tools verfügt, ist ein effizientes MPM selten möglich. Intern und externe Projektmanagement Spezialisten können Sie bei einer erfolgreichen Implementierung und operativen Steuerung Ihrer Multiprojektlandschaft unterstützen.
Katrin Gatscher
Expertin für Multiprojektmanagement