Das Coronavirus hat längst Deutschland und die ganze Welt erreicht. In vielen Unternehmen wurden Taskforces und Krisenstäbe eingerichtet, die von Krisenkommunikation begleitet werden. Doch was heißt eigentlich Krisenkommunikation? Was hat Krisenkommunikation zum Ziel?
Ursprünglich aus dem Griechischen stammend bezeichnet „Krise“ im Allgemeinen den Höhepunkt oder Wendepunkt einer Entwicklung.
Die mit dem Wendepunkt verknüpfte Entscheidungssituation bietet in der Regel sowohl die Chance zur Lösung der Konflikte als auch die Möglichkeit zu deren Verschärfung. Erst im Rückblick, nachdem die Krise abgewendet oder beendet wurde, erkennt man diesen Wendepunkt.
Wirtschaftskrisen und Schwankungen fordern Unternehmen immer wieder heraus, sich neu zu definieren und an die Veränderungen des Marktes anzupassen. Es ist fast schon die Regel, dass wir Entscheidungen unter Zeitdruck und Informationsasymmetrie treffen. Die Kommunikation leistet einen großen Beitrag, dass Mitarbeiter und alle Stakeholder diese Entscheidung mittragen.
Jetzt aber den Schalter auf Krisenkommunikation umlegen, kann nur wer gut darauf vorbereitet ist. Genau an diesem Punkt gehen manche Unternehmen anders vor als andere. Warum?
Aktuell leben wir mehr denn je in einer durch VUCA Aspekte geprägten Welt:
- Volatilität (Volatility): Flüchtigkeit. Wir leben in einer Welt, die sich ständig verändert, immer instabiler wird und in der die kleinsten Veränderungen immer unvorhersehbarer werden. Ereignisse verlaufen völlig unerwartet und die Auslöser von Volatilität bzw. das Ausmaß der Schwankungsbreite sind für die Kommunikation immer schwerer einzuschätzen.
- Unsicherheit (Uncertainty): Vorhersehbarkeit und Berechenbarkeit nehmen rapide ab, Ereignisse sind immer schwieriger zu prognostizieren. Erfahrungen aus der Vergangenheit als Grundlage für Zukunft nützen immer weniger, um Kommunikation zu planen. Immer weniger ist klar, wohin die Reise geht.
- Komplexität (Complexity): Unsere Welt ist komplexer denn je. Was ist die Ursache? Was die Wirkung? – Probleme und deren Auswirkungen werden vielschichtiger und schwerer zu verstehen. Und dabei vermischen sich so viele Ebenen, dass die Zusammenhänge immer unübersichtlicher werden. Eine richtige Kommunikation ist kaum möglich.
- Mehrdeutigkeit (Ambiguity): „One fits all“ war gestern – selten ist etwas ganz eindeutig oder ganz exakt bestimmbar. Die Botschaft, die Kommunikation senden soll, ist unter Umständen unklar und kann missverstanden werden.
Dem entgegen setzt erfolgreiches Krisenmanagement ein „anderes VUCA“:
- Vision: Gemeinsam ein Bild von der wünschenswerten Zukunft malen bzw. kommunizieren. Als Kompass und zur Orientierung für alle.
- Understanding: Zusammenhänge verstehen und verstehbar machen. Kontext berücksichtigen. Vom Ergebnis ableiten und rückwärts betrachten. Verhalten und Reaktionen annehmen und nutzen. Angst und Widerstand in produktive Energie wandeln.
- Clarity: Klarheit. Einfachheit. Fokus auf das, was zählt und worum es wirklich geht. Vertrauen herstellen, transparente Zusammenhänge in einfacher Sprache aufzeigen.
- Agility: Anpassungsfähigkeit. Beweglichkeit. Lebendigkeit. Eine konsequente Kommunikations- und Dialogkultur fördern. Transparenter Umgang mit Fakten. Widerstandskraft (Resilienz) stärken. Kommunikation fordert Mut, Bewusstheit und Fehlerfreudigkeit.
Ein ganz entscheidender Faktor für die Umsetzung dieses VUCA Krisenmanagements ist die gezielte kommunikative Begleitung. Dieses Vorgehen macht den Unterschied.
Die Kommunikation muss dabei immer den Mitarbeiter im Fokus haben. Existieren Unklarheiten über Art, Umfang und Dauer der Krise, sind emotionale Widerstände, wie Angst, Schock, Ablehnung, schon zu Beginn vorprogrammiert.
Die psychologisch entscheidendste Hürde ist der Moment, in dem die Betroffenen realisieren und akzeptieren, dass sie eine Krise haben. Mit dem sog. «K-Punkt», dem Krisen-Punkt, setzt bei den Beteiligten die grundsätzliche Bereitschaft ein, sich auf die besonderen Bedingungen einer Krisensituation einzulassen. An diesem Wendepunkt zeigt sich, ob Unternehmen in der Lage sind, die Krise zu meistern und entsprechend mit dem Mitarbeiter zu kommunizieren.
Dort beginnt das Management der Krise, Krisenstäbe werden gebildet, im Vorfeld aufgestellte Krisenpläne werden eingesetzt und eine wohlgeplante Krisenkommunikation startet. Dabei ist an diesem Punkt die Krise bei weitem nicht bewältigt – Unsicherheit und Unruhe sind jetzt am größten – aber Dank der guten Vorbereitung bleiben die Beteiligten ruhig und folgen einem Plan. Das gibt Sicherheit. Wie aber entsteht diese Sicherheit und Ruhe?
Die Aufgabe der Kommunikation besteht darin, eine Kommunikationsstrategie zu entwickeln, die Ziele des unternehmensweiten Krisenmanagements zu begleiten – und zwar den Weg zum Höhepunkt, zum Wendepunkt, der Phase der Abschwächung und der Lösung der Krise.
Sicherheit entsteht durch Transparenz, Kommunikation und Rhythmus – diese drei Grundprinzipien geben Handlungsorientierung in der Krisenkommunikation, um aus der Krise keine Vertrauenskrise zu machen.
Transparenz in der Kommunikation heißt, wie detailreich, wie offen und in welcher Tiefe kommuniziere ich was und durch wen.
Unter dem Aspekt Kommunikation geht es darum, auf welche Art und Weise kommuniziert wird.
Rhythmus in der Kommunikation bedeutet, welcher sinnvolle Turnus wird in welcher Kommunikationsinfrastruktur gewählt.
Transparenz schafft Akzeptanz
Gerade in der Krise schafft Transparenz die Akzeptanz für den notwendigen Wandel bei allen Beteiligten. Die Bereitschaft, sich mit Mitarbeitern, Fragen, Problemen unvoreingenommen auseinanderzusetzen schafft eine vertrauensvolle Atmosphäre.
- Factfulness: Kommunizieren Sie nur Fakten – keine Mutmaßungen – mit der größtmöglichen Offenheit. Zum Beispiel, dass wir in eine herausfordernde wirtschaftliche Lage kommen werden, dass uns das Thema Corona noch länger begleiten wird. Spekulationen können sich im Nachhinein widersprechen und Sie unglaubwürdig erscheinen lassen.
- Perfect imperfect: Geben Sie dabei offen zu, wenn sie gerade keine Antwort oder noch nicht genug Fakten gesammelt haben.
- Zielvorgaben aufzeigen: Benennen Sie klar das Ziel, was sie mit getroffenen Maßnahmen erreichen wollen. Benennen Sie klar, was sich ändert und was bewahrt wird: z.B. Entfall von externen Schulungen, Urlaubsabbau etc. Machen Sie deutlich, dass alle notwendigen Maßnahmen ergriffen werden, um gemeinsam die Krise bewältigen zu können.
- Mit einer Stimme sprechen: Sorgen Sie dafür, dass auch die Führungsmannschaft mit einer Stimme spricht. Falls notwendig stellen Sie Sprachregelungen zur Verfügung – vor allem auch nach außen.
- Mehr ist mehr: Geben Sie im Zweifelsfall mehr Informationen als direkt notwendig sind. Was muss der Mitarbeiter wissen, um die volatile Lage für sich einordnen zu können. Das fördert die Glaubwürdigkeit von Beginn an.
- Gehen Sie auf Augenhöhe in den Dialog: Jeder hat das Recht Bedenken zu äußern, d.h. keine Übervorteilung von bestimmten Interessensgruppen, z.B. bestimmte Abteilungen oder Hierarchieebenen.
- Ein festes Team bilden: Installieren Sie ein festes Team für die Krisenkommunikation und regeln Sie klar wer was bis wann macht. Bestimmen Sie Personen, die authentisch für bestimmte Themen stehen, z.B. Verkündung von Geschäftszahlen durch die Geschäftsführung.
- Expertise einholen: Berufen Sie sich unter Umständen auf externe Experten, um Glaubwürdigkeit zu untermauern.
- Verfügbarkeit von Informationen bündeln: Installieren Sie einen zentralen Kommunikationskanal, über den alle Kommunikationsmaßnahmen laufen – so ist für jeden Mitarbeiter klar, wo kommuniziert wird.
- Zeigen Sie Gesicht: Setzen sie auf Mimik und Körpersprache – stellen Sie beispielsweise bei Videokonferenzen immer die Kamera ein, damit zahlen Sie auf eine vertrauensvolle Atmosphäre ein
Kommunikation mit Ruhe und Empathie erzeugt Sicherheit
Dem Satz von Watzlawik «Man kann nicht nicht kommunizieren» folgend, ist frühzeitig zu überlegen, was man kommunizieren soll und was nicht.
Kommunizieren Sie…
- … proaktiv und zum richtigen Zeitpunkt – agieren statt reagieren, um Gerüchten und Flurfunk vorzubeugen.
- … ruhig und kontrolliert – achten Sie auf Körpersprache, Stimme und Ausdrucksweise, damit klar wird, dass der Ernst der Lage erkannt ist, man auf sich vertraut und nicht in Panik gerät.
- … auch positive Botschaften: „Wir wissen, dass wir in einer sehr schwierigen Lage sind, aber wir werden den Weg aus dieser Lage gemeinsam schaffen“.
- … ausbalanciert zwischen Emotionen und Fakten: „Wir kennen die schwierige Lage, aber es lohnt sich zu kämpfen“.
- … empathisch: Was fühlen meine Mitarbeiter aktuell? Wie kann ich kommunizieren, um dem bestmöglich zu begegnen? Nehmen Sie Kritik oder Bedenken der Mitarbeiter ernst.
- … mit allen Stakeholdern zielgruppengerecht und sprechen Sie deren Sprache, um ein Wir-Gefühl und ein Committment für die Maßnahmen zu erzeugen.
Rhythmus wird zum Erfolgsfaktor
In der Krise sind routinierte Abläufe häufig außer Kraft. Dennoch oder gerade deswegen ist das Schaffen und das Ergänzen eines Kommunikations-Rhythmus in dieser Phase ein entscheidender Erfolgsfaktor, um Sicherheit zu vermitteln.
- Turnus verkürzen: Holen Sie ihre Mitarbeiter regelmäßig ab. In Krisensituationen kann es Sinn machen die Abstände zwischen Dialog-Plattformen zu verkürzen.
- Ausblick geben: Geben Sie stets eine Vorschau, wann die nächste Kommunikation erfolgt.
- Partizipative Kommunikation fördern: Führen Sie ergänzende Kommunikationskanäle ein, stärken Sie die Beteiligung der Mitarbeiter mit z.B. Q&A Formaten. Behalten Sie funktionierende Kommunikations-Routinen bei und ergänzen Sie diese nur mit partizipativen Aspekten, z.B. Online Abstimmungen, Online Mood Boards.
- Offline wird online: Ersetzen Sie bestehende Plattformen virtuell – veranstalten Sie auch Ihre All-Staff-Meetings online. So kann die Informationsweitergabe schneller erfolgen. Lesen Sie dazu auch das Whitepaper „Keep Distance – Stay Together: Mit empathischem Leadership und gezielter Methodik den virtuellen Teamzusammenhalt bewahren“
Krisenkommunikation kann Unternehmenskrisen nicht ungeschehen machen. Allerdings können deren Auswirkungen mit einer überlegten und gut geführten Kommunikation deutlich reduziert werden. Deshalb sollte es auf keinen Fall Kommunikationsstrategie sein, abzuwarten und zu schweigen. Das heißt, Krisenkommunikation ist nicht „auf die leichte Schulter nehmen“ – sie erfordert mehr Vorbereitung, mehr Abstimmung und mehr Fingerspitzengefühl als die Regelkommunikation.
Nach der Krise ist vor der Krise
Nachdem die Hauptarbeit der Krisenkommunikation getan ist, sollten Sie – mit etwas Abstand – die Krise aufarbeiten. Halten Sie gemeinsam im Team fest, was gut gelaufen ist und was nicht. Wo haben Sie dazu gelernt und wo sollten bei Tools, Teamaufstellung und Prozessen Anpassungen vorgenommen werden? So gewinnen Sie möglicherweise verlorenes Vertrauen zurück, gehen gestärkt aus der Krise hervor und sind für kommende Krisen gut vorbereitet – Sie stärken damit die Krisenprävention!
Wir wünschen viel Erfolg mit unseren Tipps für Ihre Krisenkommunikation! Bleiben Sie gesund!
Sie haben Fragen, können wir helfen? Wir teilen gerne unsere Erfahrungen!